Vorbeugung von Chemotherapie-Spätkomplikationen bei ehemaligen Kinderkrebspatienten im Erwachsenenalter, 7/2013
Für überlebende Kinderkrebspatienten (meist Zustand nach Leukämie, Lymphom, Hirntumore und Neuroblastom) besteht im Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko für behandlungsbedingte nachhaltige Gesundheitsschäden. Ein großer Anteil von Überlebenden hat sich keiner umfassend-systematischen klinischen Untersuchung zur Feststellung der Prävalenz chronischer Gesundheitsschäden unterzogen.
Ziel der vorliegenden Studie (1) war es die Prävalenz von negativen Gesundheitsfolgen proportional zur behandlungsbedingten Aussetzung gesundheitsschädlichen Noxen in einer großen Kohorte Überlebender des Kinderkrebses im Erwachsenenalter zu bestimmen.
Das Vorliegen von Gesundheitsfolgen wurde mittels einer systematischen expositions-basierten medizinischen Untersuchung bei 1713 ehemaligen Kinderkrebspatienten im Erwachsenenalter über einen Zeitraum von über 5 Jahren (2007 - 2012) sichergestellt (medianer Zeitraum seit Diagnosestellung 25 Jahre, Spannweite 10 – 47 Jahre; medianes gegenwärtiges Alter der Patienten 32, Spannweite 18-60 Jahre). Der maßgebliche Beobachtungsparameter war die altersspezifische kumulative Prävalenz negativer Gesundheitsfolgen für das jeweilige Organsystem.
Die grob geschätzte Prävalenz für negative Gesundheitsfolgen war am höchsten für pulmonäre (abnorme Lungenfunktion 65.2%, 95 %iges Konfidenzintervall (KI) 60.4% - 69.8%), auditorische (Schwerhörigkeit 62.1%, 95%iges I 55.8 – 68,2%), endokrin-reproduktive (jegliche endokrine Störung berücksichtigend 62%, 95%iges KI 59.5 – 64.6%), kardiale (jegliche kardiale Funktionsstörung berücksichtigend 56.4%, 95%iges KI 53,5% - 59,2%), und neurokognitive (jegliche neurokognitive Beeinträchtigung berücksichtigend 48%, 95% iges KI 44.9 – 51%) Funktionen.
Abnormalitäten hepatischer (Leberfunktionsstörung 13.0%, 95 %iges KI 10.8% - 15.3%), skelettassoziierter (Osteoporosis 9.6%, 95%iges KI 8.0 – 11.5%), renaler (Nierenfunktionsstörung 5%, 95%iges KI 4.0 – 6.3%) und hämatopoetischer (abnormale Blutkörperchenzählung 3 %, 95%iges KI 2.1 – 3.9%) Funktionen waren weniger verbreitet.
Das Risiko für negative Gesundheitsfolgen als Konsequenz spezifischer Krebsbehandlungsmodalitäten wurde als kumulative Prävalenz für das 50. Lebensalter geschätzt. Diese Schätzung beträgt 21.6% für die Entwicklung einer Kardiomyophatie (95%iges KI 19.3 – 23.9%), 83.5% für das Vorliegen von Herzklappenfehler(n) (95%iges KI 80.2 – 86.8%), 81.3% für eine Lungenfunktionsstörung (95%iges KI 77.6 – 85.0%), 76.8% für hypophysiäre Dysfunktion (95%iges KI 77.6 – 80.0%),86.5% für Hörschäden (95%iges KI 82.3 – 90.7%), 31.9 % für primäre Ovarialinsuffizienz (95%iges KI 28.0 - 35.8%), 31.1% für Leydig-Zell Fehlbildungen (95%iges KI 21.3 – 34.9%), und 40.9% für die Entstehung von Brustkrebs (95%iges KI 32.0 – 49.8%). Für ein Lebensalter von 45 Jahren beträgt die geschätzte kumulative Prävalenz zumindest einer chronischen Erkrankung 95.5% (95%iges KI 94.5 – 98.6%) und einer schwerwiegenden, behindernden oder lebensbedrohlichen chronischen Erkrankung 80.5% (95%iges KI 73.0 – 86.6%).
Fazit: Bei ehemaligen Kinderkrebspatienten besteht eine hohe Prävalenz für negative Gesundheitsfolgen im Erwachsenenalter. Eine systematische risiko-basierte medizinische Untersuchung identifizierte zahlreiche zuvor nicht diagnostizierte Gesundheitsprobleme, welche vor Allem bei älteren Patienten vorliegen. Diese Ergebnisse bestätigen die Wichtigkeit regelmäßiger Gesundheitskontrollen bei Erwachsenen, bei welchen im Kinderalter erfolgreich einer Krebstherapie durchgeführt worden ist.