Müssen Patienten mit stumpfem Trauma routinemässig eine Thorax-CT erhalten? 2015

Die Computertomographie des Brustkorbes ist der klassischen Röntgenthoraxaufnahme, bezüglich der Diagnose okkulter Verletzungen überlegen. Die große Verfügbarkeit der Thorax-CT führt zu einem wesentlich häufigeren Einsatz dieser in Notfallsituationen, obwohl die Inzidenz und klinische Signifikanz der Thorax-CT Ergebnisse nicht vollständig beschrieben sind. Eine aktuelle Studie in "Annals of Emergency Medicine" bestimmte die Häufigkeit, Schwere und klinische Bedeutung verdeckter Verletzungen, die durch die Veränderung des Notfallmanagements diagnostiziert wurden. Die analysierten Daten liefern Informationen für klinische Entscheidungen, die Notwendigkeit des Einsatzes der Thorax-CT und Möglichkeiten der Intervention.

Eingeschlossen wurden prospektive Daten von 5912 Patienten im Zeitraum von 2009 bis 2013. Diese Patienten wurden in 10 Notaufnahmen von Level 1 Trauma Zentren, nach höchstem chirurgischen Standard behandelt und erhielten nach Ermessen der Ärzte ein Röntgenthorax und eine Thorax-CT.

Das untersuchte Patientenkollektiv betrug 40.6% von 14553 eingeschlossenen Patienten der Vorgängerstudie, bei welchen entweder ein Röntgenthorax oder eine Thorax- CT durchgeführt wurden. Zu okkulten Verletzungen zählten Pneumothorax, Hämatothorax, Brustbeinfraktur oder mehr als 2 Rippenfrakturen, Lungenkontusion, Fraktur der Dornfortsätze oder des Schulterblattes sowie Verletzung des Zwerchfells oder größerer Gefäße, die im Thorax-CT entdeckt wurden, jedoch nicht im Röntgenthorax zum Vorschein kamen. Die Thoraxverletzungen wurden eingeteilt in große Verletzungen, die invasive Eingriffe nötig machten, kleine Verletzungen bei welchen Beobachtung oder stationäre Schmerztherapie über 24 Stunden ausreichten oder Verletzungen ohne klinische Signifikanz.

Das primäre Outcome waren die Prävalenz und Verteilung von okkulten Verletzungen, die große Interventionen wie das Anlegen einer Thoraxdrainage, den Einsatz maschineller Beatmung oder einen chirurgischen Eingriff erforderten. Das sekundäre Outcome waren leichtere Maßnahmen wie die Anzahl an stationären Aufnahmen oder Beobachtungsstunden aufgrund einer okkulten Verletzung. 2048 Patienten (34.6%) zeigten in der Röntgenthoraxaufnahme oder im CT eine Thoraxverletzung.

1454 dieser Patienten (71.0%, 24.6% aller Patienten) hatten verdeckte Verletzungen. Bei 954 dieser Patienten (46.6% der Verletzten, 16.1% aller) diagnostizierte die Thorax-CT Verletzungen, die im vorhergegangenen Röntgenthorax nicht sichtbar waren. Bei 500 weiteren Patienten (24.4% der verletzten Patienten, 8.5% aller Patienten) konnten mittels Röntgenthorax einige Verletzungen festgestellt werden, aber die Thorax-CT entdeckte die okkulten Verletzungen.

Mittels Röntgenthorax konnten nur bei 29.0% der betroffenen Patienten alle Verletzungen entdeckt werden. 202 Patienten von 1454 Patienten (13.9%) mit verdeckten Verletzungen benötigten größere Interventionen, bei 343 von 1454 (23.6%) wurden leichtere Maßnahmen durchgeführt und 909 (62.5%) hatten keine Eingriffe. Von den Patienten mit okkulten Verletzungen hatten 514 eine Lungenkontusion (von 682 gesamt, 75.4% der verdeckten Verletzungen), 405 einen Pneumothorax (von 597 besamt, 67.8% der verdeckten Verletzungen) und 184 einen Hämatothorax (von 230 gesamt, 80.0% der verdeckten Verletzungen).

60% wiesen mehr als 2 Rippenfrakturen oder eine Sternumfraktur (95.7% okkult) auf. 12 Patienten erlitten eine Verletzung der großen Gefäße (von 18 gesamt , 66.7% okkult), 5 eine Zwerchfellverletzung (von 6 gesamt, 83.3% okkult) und 537 zeigten mehrere verdeckte Verletzungen. Interventionen bei Patienten mit okkulten Verletzungen schlossen mechanische Beatmung bei 31 von 514 Patienten mit Lungenkontusion (6.0%), das Anlegen einer Thoraxdrainage bei 118 von 405 Patienten mit Pneumothorax (29.1%) und 75 von 184 Patienten mit Hämatothorax (40.8%) ein. Stationäre Schmerzkontrolle und Beobachtung für mehr als 24 Stunden wurde bei 183 von 672 Patienten mit Rippenfrakturen (27.2%) und 79 von 269 Patienten mit Sternumfraktur (29.4%) durchgeführt. 3 von 12 (25%) Patienten mit okkulter Verletzung der großen Gefäße wurden operiert. Eine wiederholte Bildgebung wurde durchgeführt bei 50.6% der Patienten mit verdeckter Verletzung (88.1% Röntgenthorax, 11.9% ThoraxCT, 7.5% beides). 90.9% der Betroffenen wurden stationär aufgenommen, 9.1% wurden in der Notaufnahme für 6.9 Stunden im Schnitt beobachtet. 44% der beobachteten Patienten wurden daraufhin stationär aufgenommen (4.0% der Patienten mit verdeckter Verletzung).

Fazit: Bei einem ernsthaft verletzten Patientenkollektiv mit stumpfem Trauma, das sowohl ein Röntgenthorax, als auch eine Thorax-CT erhalten hat, wurden okkulte Verletzungen durch das Thorax-CT bei 71% der Patienten mit Thorax Verletzungen entdeckt und bei einem Viertel der Patienten mit stumpfen Thoraxtrauma. Mehr als ein Drittel der verdeckten Verletzungen erforderte eine Intervention (37.5%). Thoraxdrainagen machten 76.2% der größeren Interventionen aus, zur Beobachtung oder stationären Schmerzkontrolle mehr als 24 Stunden wurden 32.4% der Patienten mit verdeckten Frakturen aufgenommen. Nur einer von 20 Patienten mit verdeckter Verletzung wurde aus der Notaufnahme nach Hause entlassen. Bei diesen Patienten mit stumpfem Trauma ist die Thorax-CT somit nützlich, um auf andere Weise verdeckte Verletzungen zu entdecken.

1-Langdorf et al. Prevalence and clinical import of thoracic injury identified by chest computed tomography but not chest radiography in blunt trauma: Multicenter prospective cohort study. Ann Emerg Med. 2015 Dec;66(6):589-600.

 

Weitere Artikel

Entdecke weitere interessante Beiträge

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Erhalten Sie wöchentlich die neuesten medizinischen Artikel, Stellenangebote und Updates direkt in Ihr Postfach.

Kostenlos und jederzeit kündbar. Datenschutz ist garantiert.