Suizide (Selbsttod) sind in den westlichen Ländern inzwischen eine der häufigsten Todesursachen. Unter den verwendeten Methoden nimmt die Selbst-Vergiftung (oft mit Tabletten) die erste Stelle ein. Im Gegensatz zu den mehr gewaltsamen Methoden überleben viele oft den Suizid mit Selbst-Vergiftung. Das Langzeit-Risiko eines Suizids nach dem ersten Suizidversuch durch Selbstvergiftung ist jedoch noch unklar. Eine aktuelle Studie in "JAMA Psychiatry" ging dieser Frage nach (1).
Die Autoren identifizierten zwischen 2002 bis 2010 alle Fälle mit Selbstvergiftung in Ontario/Kanada, und beobachteten alle Überlebende bis Ende 2011. Für jeden Suizidalen wurde aus der gleichen Population einen Nicht-Suizidalen mit ansonsten ähnlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht usw) gewählt, und eine Kontrollgruppe gebildet.
Insgesamt wurden 65.784 Patienten (28% jünger als 20 Jahre), die nach dem ersten Selbstmord-Versuch mit Selbstvergiftung aus dem Krankenhaus entlassen waren, durchschnittlich 5.3 Jahre lang beobachtet.
4174 Menschen starben, 976 Menschen (23.4%) durch Suizid. Somit hatten Menschen mit einem früheren Suizidversuch mit Selbstvergiftung etwa 42-mal erhöhtes Risiko als die vergleichbare Population.
Die mittlere Zeit von der Krankenhaus-Entlassung bis zum Suizid betrug 585 Tage.
Höheres Alter, männliches Geschlecht, multiple Suizidversuche in der Vorgeschichte, höheres sozioekonomisches Status, Depressionen, und kürzliche psychiatrische Therapie waren alle mit einem erhöhten Suizidrisiko assoziiert.
Patienten mit der früheren Selbstvergiftungs-Episode hatten auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für Tod durch Unfälle (HR 10), und durch andere Ursachen (HR 5.5).
Fazit: Ein Selbstmordversuch durch Selbstvergiftung ist ein starker Prädiktor für nachfolgenden Suizid und vorzeitigen Tod.
Die meisten Suizide passierten lange Zeit nach dem ersten Suizidversuch. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit der Langzeit-Präventions-Maßnahmen, und Therapie der Risikofaktoren wie Depression.
Nachtrag – Suizidversuch der Kinder und Jugendliche: Eine weitere große kanadische Studie (2) in "Lancet Psychiatry" zeigte im April 2015, dass auch Kinder/Jugendliche (Alter 10 - 19 Jahre), die versucht hatten, sich mit Tabletten-Einnahme zu suizidieren, ein signifikant erhöhtes Risiko für weitere Suizide und frühen Tod haben.
Folgende Faktoren waren insbesondere für weitere Suizid-Versuche in der Zukunft assoziiert: Erfolgter Suizidversuch mit Tablettenintoxikation (HR 3.5), männliches Geschlecht (HR 2.5), psychiatrische Therapie im letzten Jahr (HR 1.7).
Diese Daten zeigen, dass überlebte Suizid-Versuche mit Tabletten-Intoxikation weder bei Erwachsenen noch bei Jugendlichen als "impulsive leichtsinnige Handlungen" verharmlost werden sollten.