Bekanntlich haben die Ärzte immer weniger Zeit, für die Patienten, für die Familie, für die Hobbys.  Gleichzeitig  nimmt das medizinische Wissen exponentiell zu.  Es werden tausende von Studien jährlich publiziert. Folglich ist es für Mediziner recht schwierig, die aktuelle Studienlage  und den Wissensstand für die entsprechenden Fachbereiche zeitnah zu verfolgen und zu bewerten. Das Seminar Internisten-Update, welches  ich in der Zeit vom 18.-19.November 2016 in Hamburg besucht habe, umfasste genau dieses Ziel,  Ärzten wichtige Neuigkeiten aus verschiedenen internistischen Fachrichtungen kompakt und praxisnah vorzustellen (1).

Die inhaltliche Qualität und Organisation des Seminars war hervorragend. Referenten, alle angesehene Experten in ihren Fachgebieten, stellten in zwei Tagen hoch aktuelle Studien aus 14 Themen der Inneren Medizin - von der Notfallmedizin bis zur Onkologie - mit Bewertung für die alltägliche Praxis vor. Am Ende des jeweiligen Vortrages, präsentierten die Referenten  eine kurze Zusammenfassung als „Take-Home-Message“ für Klinik und Praxis. Des Weiteren  wurden die Fragen aus dem Publikum beantwortet. Auch in den Pausen oder „Speaker‘s Corners“ konnten die Teilnehmer, die Referenten direkt ansprechen.

Der Inhalt der Vorträge wurde als gedrucktes Handbuch oder als e-book an die Teilnehmer verteilt.  Im Folgenden werde ich aus den Vorträgen  von Prof. Holger Reinecke (UKM Münster) über die Angiologie und von Prof. Stefan Kluge (UKE Hamburg) über die Notfallmedizin, welche ich bei insgesamt sehr hohem Niveau als Höhepunkte des Seminars empfand, ein paar interessante Aspekte ansprechen, die sich zumeist aus den Antworten auf die Fragen der Teilnehmer ergaben. Des Weiteren berichte ich, als eigenständiges Thema über die neuen Erkenntnisse zu der viel diskutierten SPRINT-Studie.

Angiologie

-PAVK kann ohne aufwendige Diagnostik oder Bildgebung (wie wohltuend bei dem unaufhaltsamen Aufstieg der High-Tech-Medizin und der Rückgang des Stellenwerts der klinischen Untersuchung) mit einer fokussierten Anamnese und körperlichen Untersuchung sowie der Messung des Knöchel-Arm-Index (ABI) sicher diagnostiziert werden. Für die ABI-Messung ist neben der Blutdruckmanschette, lediglich ein  Doppler-Sensor erforderlich, welcher kostengünstig erworben werden kann (2).

-Nach einer Stent-Implantation bei PAVK ist in den meisten Fällen lediglich eine 1-monatige doppelte Plättcheninhibition notwendig, danach lebenslang ASS 100 mg/die oder Clopidogrel 75 mg/die.

-Die neue S3 PAVK-Leitlinie evaluiert in bisher noch nie gezeigtem Umfang und Beurteilung der Evidenz die aktuelle Datenlage, und fasst die diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen prägnant zusammen (3).

-Tiefe Beinvenenthrombose: Als Goldstandard wird der Kompressionsultraschall für die erste Abschätzung auch in der Allgemeinarzt-Praxis empfohlen, welcher relativ einfach durchführbar ist. Die grundsätzliche Empfehlung ist dabei, einen Kompressions-US vom Leistenband bis zum Knöchel durchzuführen. Die Beurteilung der einzelnen Venen im Unterschenkel-Bereich, ist jedoch schwieriger. Alternativ kann ein Kompressions-US auch nur von der Leiste bis zur Kniekehle erfolgen – dann ist aber eine Wiederholung der Untersuchung innerhalb von 4-7 tagen obligat. Wenn die Venen komprimierbar sind und kein Thromben-Binnenecho in den Venen zu sehen ist, kann der Patient nach Hause entlassen werden. Bei Beschwerdepersistenz oder sogar –progredienz soll jeder Patient instruiert werden, sich umgehend wieder vorzustellen. Bei einer Thrombose-Diagnose ist eine sofortige Antikoagulation unbedingt erforderlich (Einleitung z.B. mit niedermolekularen Heparinen in effektiver Dosierung oder auch den NOAKs Rivaroxaban oder Apixaban p.o.)

- Die Abklärung bezüglich Thrombophilie hat keine Bedeutung für die Diagnostik und die initiale Therapie der akuten Venenthrombose. Nur in wenigen Fällen kann sie die Entscheidung über die Dauer der Antikoagulation beeinflussen.

Notfallmedizin:

-Bei der Intubation ist eine Kapnographie ohne Ausnahme obligat.

-Bei der Reanimation werden jetzt nur noch 2 Medikamente empfohlen: Adrenalin (Herzstillstand ohne EKG-Linie) und Amiodaron (maligne Herzrhythmusstörungen wie Ventrikuläre Tachykardie oder Kammerflimmern, die auf 3-maliges Defibrillieren nicht reagieren).

-Bei der Wiederbelebung im Notfall, außerhalb des Krankenhauses wird selbst bei intubierten Patienten weiterhin nach der 30:2 Regel reanimiert. Erst wenn der Patient im Krankenhaus, an eine Beatmungsmaschine angeschlossen wird, kann kontinuierlich beatmet und komprimiert werden.

-NIV  kann auch beim milden ARDS eingesetzt werden. Ein Algorithmus, wann NIV, wann Intubation wurde präsentiert.

-NIV wird auch als initiale Therapie, in den meisten Fällen mit COPD und beginnender Narkolepsie empfohlen.

Sprint-Studie:

Eine wichtige Anmerkung zur Sprint-Studie stellte Prof. Gunnar Klein (Herzzentrum Hannover) vor. Die SPRINT-Studie (1), die von der US-Gesundheitsbehörde "US-National Heart, Lung, and Blood Institute" (NIH) finanziert wurde, zeigte Ende 2015, dass eine intensive Senkung des systolischen Blutdruckwertes, auf 120mmHg bei Risikopatienten, die Sterblichkeit deutlich senkt. Die Resultate stehen somit im Widerspruch zu den bisherigen Leitlinien-Empfehlungen, die selbst bei Risiko-Patienten eine moderate Blutdruckkontrolle (systolischer RR-Zielwert  140mmHg) empfehlen.  Prof. Klein berichtete, dass bei der Sprint-Studie die Blutdrücke NICHT vom Personal manuell gemessen wurde. Die Messung erfolgte mit automatischen Blutdruck-Messgeräten, die den Blutdruck bis zu 20mmHg niedriger anzeigten.

Dieser Erkenntnis zur Folge wäre ein weiterer Grund, die Ergebnisse der SPRINT-Studie, die in der Fachwelt sowieso kontrovers aufgenommen wurden, mit Vorsicht zu bewerten. In den letzten Jahren haben aggressive Therapie-Empfehlungen bei älteren Patienten, oft zum Gegenteil geführt, und den Outcome eher verschlechtert, als gebessert (Beispiel ACCORD-Studie: intensive Blutzucker- Kontrolle bei älteren Diabetes-Typ-II-Patienten).

Das Seminar Internisten-Update, als offizielle Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) wird sich auch 2017 in verschiedenen Städten wiederholen.

Dr. med. Fevzi Koc

LINKS

1-Internisten-Update Hamburg

2-So wird der Knöchel-Arm-Index korrekt bestimmt

3-S3-LEITLINIE ZUR DIAGNOSTIK, THERAPIE UND NACHSORGE DER PERIPHEREN ARTERIELLEN VERSCHLUSSKRANKHEIT, zuleltz 04/2016 überarbeitet

4-RELOAD: Kritische Betrachtung der Sprint-Studie: Intensive Blutdrucksenkung bei Risikopatienten soll Mortalität senken - Änderung der Zielwerte? 2016 

Zusätzliche Informationen

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.