Tenofoviralafenamid versus Tenofovirdisoproxilfumarat zur Behandlung der HBeAg-positiven chronischen Hepatitis-B-Infektion: eine randomisierte, Phase-III-Doppelblindstudie zum Nachweis der Non-Inferiorität.
Tenofovir ist ein nicht-nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Hemmstoff. Bei dem neuen Prodrug Tenofoviralafenamid soll der aktive Wirkstoff die Zielzellen bei niedriger Dosis effizienter angreifen können, als dies der Wirkstoff Tenofovirdisoproxilfumarat (Viread®, Gelead) vermag. Hierdurch soll sich die systemische Exposition verringern lassen. Bei HIV-Patienten zeigte sich Tenofoviralafenamid ebenso wirksam wie Tenofovirdisoproxilfumarat, allerdings mit geringerer Knochen- und Nierentoxizität. Eine vom Hersteller Gilead finanzierte Studie vergleicht die Wirksamkeit und Sicherheit der zwei Formulierungen bei Hepatitis-B-Virus Infektion (1).
---Medknowledge-Information: Die Kombination aus Tenofoviralafenamid und Emtricitabin (Descovy®, Gilead) wurde im Mai 2015 in Deutschland als Kombipräparat gegen HIV eingeführt. Des Weiteren wurde Tenofovir (Viread®) als eine mögliche therapeutische Alternative für Patienten mit Hepatitis B angesehen, die auf die herkömmliche Therapie mit Adefovir (Hepsera®) gegen Hepatitis B aufgrund der Resistenzbildung nicht ansprechen.---
Die noch aktuelle andauernde Doppelblindstudie wird in 19 Ländern in 161 ambulanten Zentren durchgeführt. In die Studie eingeschlossen sind Patienten mit chronischer HBV-Infektion, die positiv für HBe-Antigen (HbeAg) sind. Die Patienten erhalten in 2:1 Randomisierung entweder 25 mg Tenofoviralafenamid oder 300 mg Tenofovirdisoproxilfumarat gegen Placebo. Die Randomisierung erfolgte als computergenerierte Allokation (Blockgröße 6) und stratifiziert nach der Plasmakonzentration von HBV-DNA sowie Erfahrungen aus vorausgegangener Behandlung der Patienten. Primärer Endpunkt der Wirksamkeit war der Anteil von Patienten mit HBV-DNA <29 I.E./ml in Woche 48 in allen Patienten, die randomisiert zugeteilt waren und zumindest eine Dosis Studienmedikament erhalten hatten; fehlende Werte wurden als Versagen gewertet („missing-equals-failed approach"). Die vorher festgelegte Non-Inferiority-Grenze betrug 10%. Die wichtigsten vorbestimmten Endpunkte zur Sicherheit waren Knochen- und Nierenparameter in Woche 48.
Vom 11. Sept.2013 bis 20. Dez. 2014 wurden 1473 Patienten gescreent. Davon wurden 875 mögliche Patienten randomisiert den Gruppen zugeteilt und 873 erhielten eine Behandlung: 581 mit Tenofoviralafenamid und 292 mit Tenofovirdisoproxilfumarat.
371 (64%) der Patienten mit Tenofoviralafenamid hatten <29 I.E./ml HBV-DNA in Woche 48. Dies war den 195 (67%) Patienten mit Tenofovirdisoproxilfumarat und HBV-DNA <29 I.E./ml nicht unterlegen (adaptierter Unterschied ?3,6%; p=0,25).
Patienten mit Tenofoviralafenamid zeigten eine signifikant geringere Abnahme der Knochenmineraldichte (BMD) an der Hüfte (mittlere Veränderung ?0,10% versus ?1,72%; adaptierter Unterschied 1,62; p<0,0001) und an der Wirbelsäule (mittlere Veränderung ?0,42% versus ?2,29%; adaptierter Unterschied 1,88; p<0,0001) und außerdem einen geringeren mittleren Anstieg des Serum-Kreatinins in Woche 48 (0,01 mg/dl versus 0,03 mg/dl; p=0,02).
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Infektionen des oberen Respirationstraktes (51 [9%] von 581 Patienten mit Tenofoviralafenamid versus 22 [8%] von 292 Patienten mit Tenofovirdisoproxilfumarat), Nasopharyngitis (56 [10%] versus 16 [5%]) und Kopfschmerzen (42 [7%] versus 22 [8%]).
Bei 22 (4%) Patienten mit Tenofoviralafenamid und 12 (4%) Patienten mit Tenofovirdisoproxilfumarat traten schwerwiegende Nebenwirkungen auf, von denen gemäß Studienleiter keine in Zusammenhang mit der Studienbehandlung zu bringen waren.
187 (32%) der 581 Patienten der Tenofoviralafenamid-Gruppe und 96 (33%) der 292 Patienten der Tenofovirdisoproxilfumarat-Gruppe zeigten Grad 3 oder 4 Abweichungen der Laborparameter; die häufigsten darunter waren erhöhte ALT (Zusatz: Alanin-Aminotransferase = GPT) (62 [11%] von 577 Patienten mit Tenofoviralafenamid und 36 [13%] von 288 Patienten mit Tenofovirdisoproxilfumarat) und AST (Zusatz: Aspartat-Aminotransferase, = GOT) (20 [3%] von 577 Patienten mit Tenofoviralafenamid und 19 [7%] von 288 Patienten mit Tenofovirdisoproxilfumarat).
FAZIT: Bei Patienten mit HBe-Antigen-positiver HBV-Infektion war Tenofoviralafenamid dem Wirkstoff Tenofovirdisoproxilfumarat nicht unterlegen (Non-Inferiority) und zeigte weniger negative Auswirkungen auf Knochen und Nieren. Langzeituntersuchungen sind nötig, um den klinischen Einfluss der Veränderungen zu beurteilen.
Medknowledge-Anmerkung: Auch eine 2-Studie in „Lancet Gastroenterology and Hepatology" ergab, dass Tenofovir-Alafenamid zur Behandlung der chronischen Hepatitis B genauso effektiv wie Tenofovir-Disoproxilfumarat war, und dabei innerhalb von 12 Monaten weniger Nebenwirkungen insbesondere bei den Knochen und Nieren zeigte.